31.1.22 - Zwischenruf zum Synodalen Weg
Konstantin Bischoff, Esther Göbel, Marcus Schuck und Susanne Schuhmacher-Godemann sind nicht nur Pastoralreferent:innen, sondern auch Delegierte des Synodalen Weges. Mit Blick auf dessen
kommende Versammlung fordern sie einen klaren Reformkurs an der Seite der Missbrauchsopfer.
Was für eine seltsame Steigerung: Die MHG-Studie hat deutlich gezeigt, wie sehr das Bild des Priesteramtes beschädigt ist. Auf der Online-Versammlung des Synodalen Wegs im Februar 2021 wurde das
noch einmal mehr verdeutlicht. Ein halbes Jahr und viele Kölner und Hamburger Wirren später stellen wir auf der 2. Synodalversammlung im September 2021 fest, dass inzwischen auch das Bild des
Bischofsamtes enormen Schaden genommen hat, so dass auch dieses nun Thema des Synodalen Wegs sein müsse. Wieder ein halbes Jahr später, zur 3. Synodalversammlung, stellen wir nach
Veröffentlichung des Münchner Gutachtens fest, dass jetzt auch noch das Bild des Papstamtes unwiderruflich beschädigt ist. Wo soll das also hinführen? Sollen wir in einem halben Jahr zur 4.
Synodalversammlung feststellen, dass durch inadäquates Verhalten kirchlicher Verantwortlicher nun auch das Gottesbild Schaden genommen hat?
Damit das nicht geschieht, brauchen wir mutige Schritte, ehrliches Benennen und angstfreies Ringen um neue Wege. „Keine Tabus!“, fordern wir deshalb. Keine Angst vor römischer Zurückweisung, keine Sorge vor Spaltung und keine Rücksichtnahme auf traditionell Denkende darf uns aufhalten, wenn es um die Korrektur von Leid erzeugenden Machtstrukturen, Reformen in der Sexualmoral und um die Beendigung der Diskriminierung von Frauen in der Kirche geht. Wir brauchen auch ein erneuertes und vor allem positives Bild des Priester-, Bischofs- und Papstamtes.
Manche sehen genau in diesen Erneuerungen aber die Gefahr, dass rote Linien überschritten werden. Wir sagen: Wer die Menschenrechte nicht akzeptiert, stellt sich gegen den Grundkonsens unserer
demokratischen Gesellschaft – und gegen den Kern des Evangeliums. Darum müssen Lehrinhalte, die der Charta der Menschenrechte widersprechen, geändert werden. Das ist unsere rote Linie! Viele
kirchliche Lehraussagen sind immer noch vom herkömmlichen Naturrecht geprägt, in Teilen diskriminierend, sexistisch und homophob. Und das darf nicht so bleiben!
Alle Bemühungen und guten Beschlusstexte des Synodalen Wegs, die um Reformen am System der Kirche ringen, das sexualisierte Gewalt und ihre Vertuschung begünstigt hat, greifen zu kurz, wenn nicht
eine grundlegende Bewusstseins- und Haltungsänderung aller Gläubigen mit ihnen verbunden ist. Denn alle in der Kirche, vom Neu-Getauften bis zum Bischof sind vom Missbrauch „kontaminiert“, wie
Hans-Joachim Sander treffend formuliert. Deshalb ist es nicht nur an Bischöfen und Vatikan, endlich zu handeln, sondern auch an der Zeit für eine persönliche und gemeinschaftliche
Auseinandersetzung aller Gläubigen mit dieser Verantwortung – für eine Erneuerung der Kirche und ein Umdenken im Umgang mit Missbrauch aller Art.
Viele werden einwenden: Aber wir sind doch nicht Schuld! Und das stimmt: Nur die Täter haben Schuld. Sie liegt allein bei ihnen. Es darf nicht darum gehen, die Schuld der Täter oder derjenigen zu
vergemeinschaften, die Taten begangen, vertuscht oder Strafen vereitelt haben. Sie müssen die Verantwortung und die Konsequenzen tragen! Zugleich aber gab und gibt es bis heute Menschen, die
Missbrauch nicht wahrhaben wollen, bewusst wegschauen, Betroffenen nicht glauben oder sie gar als Nestbeschmutzer:innen diffamieren.
Auch wir vier fragen uns: Haben wir immer richtig gehandelt? Haben wir immer zugehört? Hätten wir mehr tun müssen, um Menschen zu schützen? Und natürlich sitzen in der Synodalversammlung viele
Menschen ohne jede Schuld, ja sogar Opfer von Missbrauch. Dennoch gibt es diese systemische Verstrickung aller und eine Verantwortung ohne persönliche Schuld. Mit dieser
Verantwortungsgemeinschaft verhält es sich ähnlich wie in Bezug auf die Nazi-Verbrechen: Wir Deutsche von heute tragen keine Kollektivschuld, aber eine besondere Verantwortung.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass wir uns als Synodalversammlung unserer je eigenen Verantwortung stellen und uns in einem gemeinsamen, sicher auch schmerzhaften Prozess, zu einer
Bewusstseins- und Verhaltensänderung auf den Weg machen. Wir sollten nicht nur Strukturen ändern, sondern auch gemeinschaftlich Sprachfähigkeit erwerben, um glaubhaft und an Tat und Wort messbar
auf der Seite der Opfer zu stehen.
Auf der 3. Synodalversammlung stehen nun einige Texte zur finalen Abstimmung an. Weitere kommen zur ersten Lesung. Manchen wird zugestimmt werden, mit allen erforderlichen Mehrheiten. Anderen
vielleicht auch nicht. Misst sich daran unser Erfolg? Zum einen Ja: Denn was schwarz auf weiß beschlossen ist, zwingt Verantwortliche, sich dazu zu verhalten. Aber zugleich auch Nein: Der Erfolg
des Synodalen Wegs liegt darin, dass Themen auf den Tisch kommen, ehrlich gerungen wird und Diskrepanzen deutlich werden. Auch wenn Texte keine Mehrheiten finden sollten. Vielleicht ist es sogar
besser, dass ein zugespitzter Text einmal keine Mehrheit findet, als dass ein Text zu sehr abgeschwächt wird, um die erforderliche Zustimmung zu finden.
Bei allen Wünschen nach sichtbarem Erfolg, der allzu verständlich ist angesichts der vielen tausend Stunden größtenteils ehrenamtlichen Engagements, muss die Perspektive klar bleiben. Es geht um
die Themen: Evangeliumsgemäße Strukturen, ein erneuertes Bild des Priestertums, Geschlechtergerechtigkeit, ein Ende der Diskriminierung, eine erneuerte Sexualmoral. Wenn hier mit beschlossenen
Texten und anschließender Umsetzung auf ordentlichem Verfahrensweg gerade keine systemischen Fortschritte machbar sind, dann liegt der Erfolg im Benennen der Diskrepanzen, im Streit, im Aushalten
der Leere, in den Widersprüchen. Unser Vertrauen auf den Heiligen Geist muss groß genug sein, dass die Unterscheidung der Geister u.U. länger dauert als ein paar Synodalversammlungen.
Daher gilt: Klare Forderungen, keine „Beruhigungspillen“, solidarischer Einsatz für die Ausgegrenzten — und nicht Texterfolge um jeden Preis.
Konkret fragen wir uns daher bei jedem Text: Wollen wir lieber kleinen Schritten zustimmen und damit möglicherweise einen großen Umweg zum eigentlichen Ziel in Kauf nehmen? Uns zufrieden geben,
weil es immer noch besser ist als nichts? Oder wollen wir lieber Maximalforderungen verfolgen und es auf dem kürzesten Weg versuchen, auf die Gefahr hin, in der Sackgasse, in der Ablehnung des
Textes zu landen?
Können wir einem Frauendiakonat zustimmen, obwohl wir doch eigentlich den Zugang zu allen Ämtern für alle Geschlechter wollen? Sollten wir uns einem zögerlichen Grundtext des Priesterforums
anschließen, der immerhin etwas verändern würde, statt eine viel grundsätzlichere Debatte über Sinn und Funktion priesterlichen Handelns in unserer Zeit zu fordern? Wollen wir kleine
kirchenrechtlich unproblematische Schritte der Veränderung im Bereich von Macht und Gewaltenteilung mitgehen, die wahrscheinlich durchaus schon eine erstrebenswerte Verbesserung zum Status Quo
darstellen? Oder brauchen wir nicht vielmehr mutige, große Schritte, die zuerst den Klerikalismus vom Sockel stürzen? Genügen kleine Schritte, in der Hoffnung, dass es nur die ersten auf dem
langen Weg sind? Oder geht uns dann womöglich die Puste aus und am Ende haben wir uns mit der kleinen Lösung abgefunden, statt hoch zu pokern mit der Chance auf viel höheren Gewinn?
Zu verlieren gibt es ja eigentlich kaum noch etwas.
Konstantin Bischoff, Esther Göbel, Marcus Schuck, Susanne Schuhmacher-Godemann (Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands e.V.)
Katholisch de berichtet darüber:
Klare Positionen und keine "Beruhigungspillen" oder abgemilderte Textvorschläge – das fordern vier Vertreter der Synodalversammlung. Manchmal sei es vielleicht sogar besser, wenn ein zugespitzter Text einmal keine Mehrheit finde. ...
Die Eindrücke von der Versammlung im Blog.