21.1.21 - Zwischenruf zum Synodalen Weg

Reicht beten?

Mit diesem Positionspapier wollen wir als demokratisch legitimierte Verbandsvertreter*innen zu zwei Entwicklungen des Synodalen Wegs kritisch Stellung beziehen.


Zunehmend ist die Rede davon, dass der Synodale Weg verstärkt ein geistlicher Prozess werden soll — als wäre er es bisher nicht — und dafür mehr Gebet erforderlich sei.


Einige Synodale lehnen demokratisches Vorgehen als nicht angemessen ab und tun sich offenbar schwer damit, mehrheitsfähige Richtungsentscheidungen zu treffen und zu akzeptieren.


Es steht außer Frage, dass es sich beim Synodalen Weg um einen geistlichen Prozess handelt. Auch Papst Franziskus schreibt in seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland: „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes“. Doch was macht einen Prozess zu einem geistlichen Prozess?


Der Synodale Weg kennt, wie viele andere kirchliche Prozesse auch, vielfältiges geistliches Leben: Gebete, Schweigen, Reflexionszeiten durch geistliche Begleiter*innen und auch Wort-Gottes- und Eucharistiefeiern. Das ist gut, richtig und wichtig. Aber nicht Gebetsformen machen den Prozess geistlich, sondern geistlich wird ein Prozess aus der Grundhaltung heraus, dass sich alle miteinander der Führung des Heiligen Geistes anvertrauen. Diese Grundhaltung braucht eine Offenheit aller Beteiligten, denn weder Amtsträger*innen noch einzelne Gläubige kennen den Willen des Heiligen Geistes für konkrete Situationen. Ignatianisch gesprochen braucht es die „Indifferenz”, also die Unvoreingenommenheit von persönlichen Vorlieben, Vorurteilen und Vorfestlegungen. Im Hören und Reden geht es darum, dem Geist Gottes gemeinsam auf die Spur zu kommen.


Wir Verbandsvertreter*innen bringen unsere guten Erfahrungen von demokratischen und zugleich geistlichen Entscheidungsprozessen, die auf der Gottesebenbildlichkeit aller basieren, in den Synodalen Weg ein. Auch Diskussionen, Abstimmungen und Wahlen sind geistliche Prozesse, die den Synodalen Weg fundamental stärken.

Zur Begründung:
 

1. Als Geschöpfe Gottes den Verstand zu nutzen ist geistliche Haltung

Wir Menschen haben vom Schöpfer unseren Verstand geschenkt bekommen. Sich seiner im Bewusstsein der eigenen Verantwortung vor Gott und den Menschen zu bedienen, ist geistliche Haltung. Als Ebenbilder Gottes sind alle Menschen individuell und zugleich gemeinsam berufen, das Heil zu suchen. Christ*innen haben sich dem Anspruch der Differenz von Evangelium und Welt zu stellen und sind zugleich als Zeitgenoss*innen aller Menschen Verbündete in „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“. Die Nachfolge Christi vollzieht sich immer unter den Bedingungen der je eigenen Zeit und setzt voraus, die entsprechenden „Zeichen dieser Zeit“ zu erkennen. Gerade die Erkundung der Welt ermöglicht, das Evangelium besser zu verstehen. Und deshalb ist alles Denken und alle Auseinandersetzung um der Menschen willen geistliche Haltung.
 

2. Demokratie in der Kirche ist möglich, geboten und nichts Neues

In unseren Verbänden schließen sich Menschen freiwillig zusammen. Aus dem Glauben an die Gottesebenbildlichkeit leiten sich für alle Mitglieder die gleichen Rechte und Möglichkeiten ab, Verantwortung zu übernehmen. Ämter, Leitungen und auch Geistliche Verbandsleitungen erhalten ihre Legitimität durch Wahl. Manche meinen, demokratisch herbeigeführte Mehrheitsbeschlüsse stünden generell im Widerspruch zur hierarchischen Gestalt der Kirche. Jedoch waren bereits die Festlegungen der frühen Kirche, wie z.B. das Credo Ergebnis kommunikativer Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse. Die kirchliche Struktur ist in ihrer jeweiligen Gestalt immer gesellschaftlich-geschichtlich und von sich wandelnden Werten und Normen beeinflusst. Heute ist die Demokratie in Deutschland (und weiten Teilen der Welt) das die Kirche umgebende gesellschaftliche Prinzip. Schon Karl Rahner betonte: „Man kann nicht annehmen, dass der Mensch beim Überschreiten der Kirchenschwelle plötzlich aufhört, das Gesellschaftswesen zu sein, das er in allen anderen Bereichen des Lebens ist.“ Wir leben als Demokrat*innen im vollen Bewusstsein der universellen Gültigkeit der Menschenrechte.
Die Kirche braucht, damit sie überhaupt Kirche ist, mehr denn je die Beteiligung aller Getauften und Gefirmten. Nicht nur in Verbänden sind demokratische Wahlentscheidungen selbstverständlich, denn auch Päpste, Ordensobere und viele deutsche Bischöfe werden gewählt. Dialogprozesse, Diskussionen und Abstimmungen sind geistliche Prozesse.

 

3. Geistliche Wege müssen vielfältig sein

Der Glaubenssinn aller Gläubigen (sensus fidei fidelium) ist fundamental bedeutend für Entscheidungen auf einem geistlich geprägten Weg der Kirche. Die erwähnte Indifferenz als Grundhaltung geistlicher Prozesse vorausgesetzt, brauchen diese Entscheidungsprozesse unbedingt die vielen einzelnen und unterschiedlichen Wege wie Gebet, Debatte und demokratische Abstimmungen, aber auch persönliche Reflexion, Supervision, Literaturstudium und das Befragen/Hören von Expert*innen und anderes mehr. Manches ist dabei Fremdprophetie für den geistlichen Weg.
Geistliche Begleitung soll diese verschiedenen Wege ermöglichen. Jeder Versuch, Prozesse zu beeinflussen oder gar in eine bestimmte geistliche Richtung zu lenken, unterläuft das unvoreingenommene Sich-Führen-Lassen und das indifferente Lauschen. Wer meint, das Wirken Gottes bzw. des Heiligen Geistes exklusiv durch Rolle, Gebetsform oder Ausprägung bestimmter Spiritualität sicher zu kennen und einsetzen zu können, irrt nicht nur, sondern handelt missbräuchlich. Und wenn sich geistlicher Prozess rein auf Beten, Schweigen und Gottesdienste beschränkte, bestünde die Gefahr, dass diese zum spirituellen Deckmäntelchen würden, anstatt wirklich Gottes Geist in seiner Vielfältigkeit auf den Prozess des Synodalen Wegs wirken zu lassen. Vielfalt in Einheit zu leben ist geistlicher Weg.

 

21. Januar 2021

Konstantin Bischoff, Esther Göbel, Marcus Schuck, Susanne Schuhmacher-Godemann
(Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands e.V.)
Sarah Henschke, Michaela Labudda, Hubertus Lürbke, Regina Nagel, Marie-Simone Scholz
(Bundesverband der Gemeindereferent/-innen Deutschlands e.V.